Ein interessanter Ansatz zur Verbesserung der Lehre und zur „Optimierung“ von Prüfungsergebnissen ohne Niveauabsenkung oder „Teaching to the Test“ ist die Diskussion häufiger Fehler und üblicher Missverständnisse mit den Studierenden. Dazu habe ich mal zu unserer letzten Leistungskontrolle der Lehrveranstaltung „Grundlagen der Elektrotechnik II“ die typischen Fehler zusammengestellt. Die zugehörigen Aufgabenstellungen und Musterlösungen sind als YouTube-Videos verfügbar.
Aufgabe 1 (Mittelwert und Effektivwert)
- Symmetrie des Zeitverlauf und die daraus folgende Vereinfachung nicht erkannt, dass es ausreichend ist, nur über den ersten Abschnitt zu integrieren und den Wert des Integrals zu verdoppeln
- Zeitfunktion für die Spannung falsch aufgestellt, für den zweiten Abschnitt passierte das noch deutlich häufiger als für den ersten
- Summe statt Integral berechnet
- unnötig frühes Einsetzen von û = 3 V, damit komplizierte Zahlenrechnung
- komplettes Vernachlässigen den Einheiten
- Berechnung von „Teileffektivwerten“ (nicht über die ganze Periodendauer) und anschließende falsche Addition dieser
- binomische Formel beim Quadrieren nicht beachtet
- falsches Integrieren, falsches Einsetzen der Grenzen
- Periodendauer T durch 2π ersetzt
- falscher Ansatz einer Sinusfunktion für die gegebene (eindeutig lineare) Zeitfunktion der Spannung
Aufgabe 2 (Komplexe Rechnung)
- keine komplexe Rechnung, imaginäre Einheit j fehlt
- Zusammenhang 1 / j = − j nicht beachtet
- Teilimpedanzen der Reihenschaltung als Beträge und nicht komplexwertig addiert
- Vermischung von reellwertigen Zeitfunktionen und komplexen Zeigern
- falsche Angabe des komplexen Zeigers als e^sin…
- falsche Formel Z = – j ω C oder Z = j ω C für die Impedanz der Kapazität benutzt
- Impedanz als Zeitfunktion Z(t) angegeben und den Strom i(t) durch Division zweier
sinusförmiger Zeitfunktionen bestimmt - nur den Betrag der Impedanz mittels Z = sqrt(R^2 + (X_L − X_C)^2) berechnet, damit fehlt der Phasenwinkel der Impedanz
- fälschlicherweise mit j f L und 1 / (j f C) statt korrekt mit j ω L und 1 / (j ω C) für die Impedanz von Induktivität und Kapazität gerechnet
- Einheit „Ohmen“ für die Impedanz angegeben
- falsche Berechnung des Phasenwinkels der Impedanz als Durchschnitt des Phasenwinkels des Widerstandes R und des Blindwiderstandes X
- falsche Berechnung des Phasenwinkel als ϕ = Im/Re und nicht als ϕ = arctan(Im/Re)
- unnötige Umwandlung der Spannung in einen Effektivwert
- Einheiten vergessen
- unnötige komplizierte Berechnung der Teilspannungen mit Hilfe der Spannungsteilerregel und nicht einfacher aus dem Strom
- Stromteilerregel statt Spannungsteilerregel in der Reihenschaltung benutzt
- Teilströme statt Teilspannungen berechnet
- falscher Ansatz mit Parallelschaltung statt Reihenschaltung
- falsche Anwendung des ohmschen Gesetzes in der Form U = I / R statt der korrekten Form U = R · I
- Zeigerbild der Impedanz statt Zeigerbild von Strom und Spannungen gezeichnet
- Spannungs- und Stromzeiger sind für die Induktivitäten und Kapazitäten im Zeigerbild nicht senkrecht aufeinander
- Stromzeiger im Zeigerbild fehlt
- keinen Maßstab im Zeigerbild angegeben
- Leistungsfaktor cos ϕ berechnet, obwohl nicht gesucht
Aufgabe 3 (Zweipoltheorie)
- Zweipoltheorie nicht angewendet, keine Auftrennung der Schaltung in einen aktiven und passiven Zweipol
- Ersatzinnenimpedanz nicht korrekt gebildet (stattdessen wurde häufig die Gesamtimpedanz R_1 + 1 / (j ω C_1) || [R_2 + 1 / (j ω C_2)] ermittelt)
- unnütze Erweiterung mit dem Nenner, statt mit dem konjugiert Komplexen des Nenners
Aufgabe 4 (Zeigerbild)
- Struktur der Schaltung wurde falsch erkannt, Reihen- und Parallelschaltung verwechselt
- Stromzeiger und Spannungszeiger am Widerstand sind nicht parallel
- Stromzeiger und Spannungszeiger an Kapazität und Induktivität sind nicht senkrecht aufeinander
- Stromzeiger und Spannungszeiger an Kapazität und Induktivität sind senkrecht aufeinander, haben aber die falsche Phasenfolge
- falsche grafische Addition von Zeigern
- jeder Zweig der Parallelschaltung hat eine eigene Gesamtspannung, die jeweils ungleich sind
- der Zeiger des Gesamtstroms wurde vergessen
- Probleme, eine qualitatives und kein quantitatives Zeigerbild zu zeichnen
- Rechnung statt Zeigerbild
Aufgabe 5 (Komplexe Leistung)
- Gesamtimpedanz Z_ges wird als Gesamtwiderstand R bezeichnet
- falsche Berechnung der Gesamtimpedanz mittels Z_ges = R + j ω L als Reihenschaltung
- falsche Berechnung der Gesamtimpedanz mittels Z ges = R ω L / (R + ω L) ohne imaginäre Einheit
- umständliche Rechnungen
Vielen Dank auch an die Kollegen vom Lehrstuhl für Elektromagnetische Verträglichkeit an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg für die Zusammenstellung der Liste.